"Tiny Pretty Things", oder "Dein letztes Solo", wie die
Netflixserie auf Deutsch heißt, ist ein recht neues Jugenddrama aus dem Jahr
2020, welches ich in den letzten Wochen gespannt geschaut
habe. Die erste Staffel mit 10 Folgen basiert auf dem
gleichnamigen Roman von Sona Charaipotra und
Dhonielle Clayton und kann von mir empfohlen werden.
Darum geht´s:
An der Archer School of Ballet in Chicago werden seit Jahrzehnten die
Tanz-Stars der nächsten Generation heran gezüchtet. Als die junge
Nachwuchstänzerin Neveah Stroyer überraschend einen Platz an der Schule
erhält, geht für sie ein Traum in Erfüllung, so kann sie endlich ihre
Vergangenheit hinter sich lassen und einer glanzvollen Karriere
entgegenblicken. Schon an ihrem ersten Tag muss sie jedoch die Abgründe hinter
der schönen Fassade der Schule erkennen. Nicht nur dass die Umstände, unter
der ihre Vorgängerin Cassie Shore aus dem 4. Stock des Schulgebäudes in den
Tod stürzte immer noch ungeklärt sind, sie wird auch schnell in die
Rivalitäten und Konflikte der Schüler hineingezogen...
Deshalb solltest Du Dir die Serie anschauen:
Noch eine Sache, die der Lockdown mitzuverantworten hat: Die Anzahl der von
mir noch nicht geschauten, ansprechenden Netflix-Filme und -Serien gehen so
langsam zur Neige... Da hat es mich umso mehr gefreut, als ich vor ein paar
Wochen die neue Serie "Tiny Pretty Things" von Michael
MacLennan entdeckt und dann in kurzer Zeit weggesuchtet habe. Klar,
Tanzfilme und -serien gibt es auf Streaming Diensten zu Genüge, warum sollt
Ihr Euch also ausgerechnet "Tiny Pretty Things" ansehen? Ganz einfach:
da hier neben Romantik und Tanz Charakterporträts auf einen spannenden
Krimi-Plot treffen und ein unterhaltsames Gesamtbild ergeben.
Der Fall um Cassie Shore (Anna Maiche), die nach einem rätselhaften
Sturz im Koma liegt, gibt die Grundspannung und den Rahmen der Geschichte vor.
Weshalb ist die so trittsichere angehende Primaballerina vom Dach gefallen?
Wurde sie gestoßen und wenn ja von wem? War es die ehrgeizige Bette (Casimere Jollette), die seit Jahren im Schatten ihrer Star-Schwester Delia (Tory Trowbridge) steht und alles tun würde, um einen Platz im Licht zu ergattern? Oder die
stille, unsichere June (Daniela Norman), die dringend eine Hauptrolle
im neuen Ballett von Starchoreograf Ramon Costa (Bayardo de Murguia)
braucht, um ihre Mutter davon zu überzeugen, sie weiterhin tanzen zu lassen?
Vielleicht steckt aber auch Cassies Freund Nabil (Michael Hsu Rosen)
dahinter, der sie aus Eifersucht gestoßen hat? Auch Shane (Brennan Clost) und Oren (Barton Cowperthwaite) hatten ein Motiv, so verbindet die
beiden Freunde und Zimmergenossen doch schon seit längerem eine heimliche
Affäre. Oder steckt gar die Leitung der Tanzschule selbst hinter dem
vermeintlichen Unfall, um einen Skandal unter den Teppich zu kehren? Beinahe
mit jeder Folge kommen mehr Geheimnisse ans Licht und es tauchen weitere
potentielle Verdächtige aus der Versenkung auf. Keine leichte Aufgabe für die
ermittelnde Polizistin Isabel Cruz (Jess Salgueiro), in all dem
Durcheinander den Schuldigen herauszufinden, vor allem da ihr die
Machtstrukturen des klassischen Balletts das ein oder andere Mal einen Strich
durch die Rechnungen machen. Bei all den Spekulationen und Ablenkungsmanövern
war ich sehr stolz auf mich, dass ich die richtige Person schon nach wenigen
Folgen identifizieren konnte und am Ende bestätigt wurde.
Weiter angeheizt wird die eher düstere, von Spekulationen und
Schuldzuschreibungen geprägte Stimmung durch skurrile Albträume und sich
langsam auftuende menschliche Abgründe. Cassies Sturz entpuppt sich sehr
schnell als die Spitze eines Eisbergs aus Konkurrenz, Rivalität, Druck und
Neid zwischen den SchülerInnen der Tanzakademie. Anders als ich zu Beginn der
Staffel annahm, steht Neveah als Neuankömmling nicht als Hauptperson eindeutig
im Vordergrund. Stattdessen verfolgen wir die Entwicklungen, Konflikte,
Probleme und Schicksale der aufgezählten Figuren beinahe gleichwertig. Die
größte Entwicklungen machen dabei June und Bette durch, aber auch Shane, Oren
und Nabil haben mir als Hauptfiguren gut gefallen. Neveah (Kylie Jefferson), die als einzige aus dem Raster fällt, Normen hinterfragt und für das
kämpft, woran sie glaubt, die eine wundervolle Hauptfigur hätte sein können,
geht in all dem Durcheinander etwas unter. Weitere SchülerInnen, Eltern,
Angestellte der Tanzschule wie zum Beispiel Tanzlehrer Mr. Brooks (Shaun Benson), oder die Leiterin Monique DuBois (Lauren Holly) komplettieren das
Bild. Dabei wird immer nach der Devise "so divers und bunt wie möglich"
vorgegangen. Die verschiedenen Nationalitäten, Religionen, Sexualitäten,
Hautfarben und Lebensumstände der Figuren scheinen zwar auf den ersten Blick
etwas übertrieben zu sein, passen aber gut ins moderne Konzept von Netflix.
Man kann also kritisieren, dass sich die Serie hinsichtlich der Geschichten
ihrer Figuren in einige Klischees verstrickt und allgemein überladen
daherkommt, alles in allem hat mir die Verbindung aus Charakterporträts und
Krimiplot aber sehr gut gefallen.
Es stehen jedoch nicht nur die Abgründe und Konflikte im Vordergrund - auch
die Leidenschaft für das Ballett, künstlerischer Ausdruck, Zusammenhalt,
Freundschaft und die ein oder andere Romanze finden hier
ihren Platz. Egal ob Proben für das Ballett "
Ripper",
die täglichen Tanzstunden, nächtliche Übungen, Musikvideodrehs, Castings oder
Aufführungen - hier wird viel getanzt. Man sollte also zumindest ein
mittelmäßiges Interesse fürs Ballett mitbringen, sonst werden einem die vielen
Szenen und die Handlung, die sich fast ausschließlich auf den Mikrokosmos der
Tanzakademie beschränkt, zu viel.
Sehr überrascht hat mich, dass "Tiny Pretty Things" sehr freizügig
gestaltet ist und jede Folge mit einigen Sexszenen ausschmückt. Diese sind
zwar geschmackvoll inszeniert, nehmen im Vergleich zum Rest der Handlung
(und auch zu den Tanzszenen) viel zu viel Raum ein, um nicht negativ
aufzufallen. Die Hälfte dieser Szenen hätte meiner Meinung nach auch
ausgereicht und dann hätte man mehr Zeit gehabt, die Beziehungen zwischen
den Figuren zu vertiefen. Denn gerade gegen Ende geht (wie fast immer in solchen Serien) alles ein wenig flott über die Bühne
und neben der großen Enthüllung und schnellen Entwicklungen sind mir einige
abrupte Sprünge aufgefallen, die dem Gesamteindruck einen kleinen Dämpfer
verpasst haben (
Spoiler:
Beispielsweise waren Oren und Neveah plötzlich zusammen, was nicht
ordentlich auserzählt wurde und deshalb etwas plötzlich kam.) Nichtsdestotrotz bin ich jetzt sehr gespannt auf die zweite Staffel, die
zwar noch nicht offiziell bestätigt, aber aufgrund der Tatsache, dass die
Buchgrundlage noch einen zweiten Band namens "
Shiny Brokes Pieces" hat,
sehr wahrscheinlich ist.
Fazit
Eine vielseitige und spannende Serie, die Romantik, Krimi, Tanz und
menschliche Abgründe vereint. Trotz Klischees, leichter Überladung und
knappem Ende kann ich "Tiny Pretty Things" weiterempfehlen!
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