Sonntag, 22. April 2018

Die Insel der besonderen Kinder

 
 
Allgemeines:
 
Titel: Die Insel der besonderen Kinder
Autor: Ransom Riggs
Genre: Fantasy
Verlag: Knaur (1. August 2013)
ISBN-10: 342651057X
ISBN-13: 978-3426510575
ASIN: B005UL2GEM
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 16 Jahre
Seitenzahl: 416 Seiten
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
14,99€ (Taschenbuch)
18,99€ (Gebundene Ausgabe)
Weitere Bände: Die Stadt der besonderen Kinder
Die Bibliothek der besonderen Kinder
 
 
 
Inhalt:
 
Manche Großeltern lesen ihren Enkeln Märchen vor. Was Jacob von seinem Opa hörte, war etwas ganz anderes: Abraham erzählte ihm von einer Insel, auf der abenteuerlustige Kinder mit besonderen Fähigkeiten leben, und von Monstern, die auf der Suche nach ihnen sind … Erst Jahre später, als sein Großvater unter mysteriösen Umständen stirbt, erinnert Jacob sich wieder an die Schauergeschichten und entdeckt Hinweise darauf, dass es die Insel wirklich gibt. Er macht sich auf die Suche nach ihr und findet sich in einer Welt wieder, in der die Zeit stillsteht und er die ungewöhnlichsten Freundschaften schließt, die man sich vorstellen kann. Doch auch die Ungeheuer sind höchst real – und sie sind ihm gefolgt …
 
 
Bewertung:
 
 Diese besondere Geschichte habe ich vor etwa einem Jahr während des großen Hypes gelesen und vor Kurzem bemerkt, dass ich gar keine Rezension verfasst habe. Das muss ich jetzt natürlich sofort nachholen und habe dafür gerne nochmal reingelesen. Und auch wenn die Story ganz offen gesagt einige Schwächen hat, gibt die wundervolle Atmosphäre der Geschichte doch etwas, was dieses Buch besonders macht und selbst zu einem magischen Rückzugsort in der ermüdenden Realität macht.
 
 
"Ist nicht Schlaf, ist nicht Tod;
Die zu sterben scheinen, leben
Das Haus, in dem du geboren wurdest
Freunde deiner Jugend
Alter Mann und junges Mädchen
Des Tages Mühsal und sein Lohn
Sie alle vergehen
Fliehen in die Fabeln
Können nicht gehalten werden."
 
 

Schon das Cover hat eine ganz besondere Ausstrahlung. Mit dem alten Foto, dass ein schwebendes Mädchen zeigt, wird sowohl der Fantasy-Aspekt mit den besonders begabten Kindern gleich angerissen und durch die starken Kontraste und das düstere Flaschengrün bekommen wir einen ersten Eindruck von der mystischen, gruseligen Stimmung der Geschichte. Die spielerische Umrandung und der Titel passen dabei auch ganz wunderbar ins Bild. Das wirklich besondere an der Gestaltung liegt aber im Inneren der Geschichte verborgen. Immer wieder werden mysteriöse, alte Fotografien seitenfüllend in Schwarz-Weiß eingewebt. Die gruseligen Kinderfotos verstärken die leicht abgedrehte, düstere und doch magische Stimmung und helfen dabei, die beschriebenen Fähigkeiten besser vorstellen zu können. Der Autor hat hier sein Hobby, alte Fotos zu sammeln, wunderbar als Inspiration genutzt, die auch dem Leser dienlich ist, ganz in die Geschichte einzutauchen.
Erster Satz: "Gerade als ich mich an den Gedanken zu gewöhnen begann, dass dieses Leben keine großen Abenteuer für mich bereithalten würde, geschah etwas Seltsames."
 
 
Mit diesen Worten von Jacob Portman, nimmt er uns mit in sein gewöhnliches Leben in Florida, dass plötzlich durch seltsame Vorkommnisse auf den Kopf gestellt wird. Schon immer hat ihm sein Großvater Abraham fantastische Geschichten erzählt, in denen besondere Kinder vorkommen, ("da gab es ein Mädchen, das konnte fliegen, einen Jungen, in dem Bienen lebten, Bruder und Schwester, die mühelos Felsblöcke zu stemmen vermochten..."), die von gruseligen Monstern gejagt werden. Doch bis er eines Tages seinen toten Opa in seinem Haus findet und auch den Mörder auf frischer Tat ertappt, schenkt er den Gruselgeschichten kein Glauben. Doch was soll das grausame Wesen mit den drei Tentakeln, die aus dem Mund hängen sonst sein, als der perfekte Beweise für die Wahrheit in den Geschichten seines Opas? Doch als er seinen Eltern von der schrecklichen Entdeckung und seinem Verdacht erzählt, glauben diese ihm kein Wort und schicken ihn zu einem Psychiater. Als dann jedoch auch noch ein Brief auftaucht, der seine Annahmen stützt und die Bedeutung von Abrahams letzten Worten untermauern, wird ihm klar: er muss dem Rätsel nachgehen und die Insel der besonderen Kinder besuchen. Als er schließlich seine Eltern davon überzeugt, Urlaub auf der Insel Cairnholm zu machen, macht er eine Entdeckung, die sein Leben für immer verändert und ihn direkt in ein gruseliges Abenteuer stürzt...
 
 
''Ich lief nicht weit, spazierte nur gemächlich um den Garten herum und betrachtete den Himmel, der jetzt klar war und an dem Millionen Sterne funkelten. Sterne waren ebenfalls Zeitreisende. Wie viele dieser uralten Lichtpunkte waren wohl der letzte Nachhall längst vergangener Sonnen? Wie viele waren bereits geboren, aber ihr Licht war noch nicht bei uns eingetroffen? Wenn alle Sonnen außer unserer heute Nacht erloschen, wie viele Menschalter würde es dauern, bis wir merkten, dass wir allein waren? Ich hatte immer gewusst, dass der Himmel voller Geheimnisse steckt, bisher hatte ich jedoch nicht geahnt, wie viele es erst auf der Erde gab.''
 
 
Die Geschichte beginnt relativ ruhig mit dem geregelten Leben Jacobs, nimmt jedoch relativ schnell Fahrt auf. Auch wenn das Erzähltempo immer relativ gemächlich bleibt, wird durch das Geheimnis und das Grauen der Monster schnell eine starke Grundspannung aufgebaut. Und wenn die Story Line an manchen Stellen ein wenig löchrig wirkt und in den Entwicklungen der Handlung wieder mal eine gewisse Seltsamkeit liegt, die Skepsis und Zurückhaltung bei mir verursacht hat, trösten vor allem die vielen originelle Ideen, über eine aufkommende Langatmigkeit hinweg. Denn gerade von der unterschwelligen Merkwürdigkeit der ganzen Geschichte lebt die besondere Atmosphäre des Buches. Während über der Insel eine dunkle Maske aus Schlamm, Blut und Regen liegt, die alles ein wenig verzerrt, surreal und schräg wirken lässt und selbst das Paradies der Zeitschleife, wo die Kinder ihre ewige Kindheit fernab von den alltäglichen Sorgen genießen, von den Bomben, die jeden Tag aufs Neue auf das Waisenhaus einregnen, ins Trügerische gezogen wird, baut Ransom Riggs einen wundervollen Sog von Spannung, Grusel und Fantastik auf.
 
 
"Drohend und düster tauchte sie vor uns auf, bewacht von Tausenden kreischender Vögel. Sie sah aus wie eine uralte, von Riesen erschaffene Festung."
 
 
Der Schreibstil nimmt dafür einen wichtigen Stellenwert ein. Auch wenn von besonders malerischen Umrahmungen keine Rede sein kann, sondern die Umwelt eher pragmatisch und in komischen Vergleichen und Metaphern beschrieben wird (z.B. "der Himmel hatte die Farbe einer frischen Prellung"), ist die Geschichte atmosphärisch doch sehr dicht. Viele der Beschreibungen wirken in ihrer Absurdität abstoßend und anziehend zu gleich.
 
Besonders spannend fand ich auch, dass Ransom Riggs das Grauen des Zweiten Weltkrieges auf spielerische Art und Weise in eine Schauergeschichte übersetzt zu haben scheint. Die Verfolgung von Menschen mit besonderen Merkmalen, die Bomben, die Ablehnung der Inselbewohner, all das erinnert an ein realistisches Porträt der Zeit - nur einige Jahrzehnte später in einem anderen geschichtlichen Rahmen. Besonders innovativ empfand ich auch die Darstellung der Monster, die gerne selbst wieder menschlicher werden wollen und dazu unbedingt die besonderen Kinder benötigen. Die genaueren Umstände werden hier noch nicht genau geklärt - dafür gibt es schließlich auch noch Band 2 und 3 der Geschichte.
 
 
"Immer wieder gab es dumpfe Explosionen, die ich in meiner Brust wie das Schlagen eines zweiten Herzens spürte, gefolgt von Wellen glühender Hitze, als würde jemand direkt vor mir einen Ofen öffnen und schließen."
 
 
Die Charaktere werden von vielen Rezensenten als zu platt und unausgearbeitet kritisiert. Meiner Meinung nach sind sie jedoch genau das, was sie sein sollen: Kinder. Natürlich tun sie seltsame Dinge, verhalten sich sprunghaft, scheinen charakterlich noch sehr unausgegoren zu sein, doch das ist doch genau das, was Kinder ausmacht. Sie sind liebenswert, in ihrer Entwicklung jedoch unfertig und das kann man dem Buch sehr schön anmerken. Da die Geschichte ein Jugendbuch für die Altersgruppe zwischen 12 und 16 darstellt, ist es meiner Meinung nach vielmehr eine Stärke, dass wir einen direkten Blick auf die Charaktere ermöglicht bekommen, der keineswegs wertend oder tiefgründig sein muss. Lediglich in Bezug auf die wirklich unnötige Liebesgeschichte kann ich der Mehrheit der anderen Rezensenten zustimmen: die schadet der Glaubwürdigkeit der Story mehr, als dass sie nutzt.
  
"...Sie waren die Götter in diesem seltsamen kleinen Universum, und ich war ihr Gast..."
 
 
 Das Ende scheint mit einem kurzen Showdown nicht recht zum gemäßigten Rest passen zu wollen und auch ganz am Ende bleibt einiges offen. Umso mehr freue ich mich jetzt auf die Fortsetzungen, die in nächster Zeit unbedingt bei mir einziehen müssen.
 
 
Fazit:
 
 Ein mystischer Auftakt einer originellen Reihe, die durch beiläufige Spannung, surrealem Grusel und innovativer Fantastik einen wundervollen Sog ausbildet. Oft ist die Geschichte in ihrer Absurdität abstoßend und anziehend zugleich und wird selbst zu einem magischen Rückzugsort in der ermüdenden Realität.
 
 

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