Mittwoch, 7. September 2016

Rauklands Sohn



Allgemeines:

Titel: Rauklands Sohn
Autorin: Jordis Lank
Verlag: Verlagshaus El Gato (2013)
Genre:  mittelalterlicher Abenteuerroman
ISBN: 978-3943596045
Seitenzahl: 364 Seiten
Preis: 0,99€ (Kindle-Edition)
12,90€ (broschiert)
Weitere Bände: Rauklands Blut;
Rauklands Schwert




Inhalt:

"Du allein bestimmst, wer du bist "

Der siebzehnjährige Ronan Carinn ist Sohn des Königs Azel Carinn von Raukland. Sein Vater ist der mächtigste Herrscher im Nordmeer: ein machtgieriger Mann, der sein Land von einem Krieg in den anderen führt. Ronan hat nie gelernt, das infrage zu stellen: Freundschaften sind ihm unbekannt und die einzige Liebe, die er kennt, gilt seinem Schwert.
Doch dann fällt Ronan in Ungnade und wird auf die nordische Insel Lannoch verbannt um für einen Fehler geradezustehen, den er sich nicht erklären kann. Anstatt bei einem Gefecht seinen Trupp anzuführen, lag er besinnungslos in seinem Zelt, betrunken, wie alle behaupten, weshalb der Krieg verloren wurde. Doch Ronan fehlt jede Erinnerung an die Stunden und neigt nicht zu solchen Handlungen. Nachdem er dem besinnungslosen Ärger seines Vaters ausgeliefert war, muss er nun die kleine Insel einnehmen oder er verliert sein Erbe auf Rauklands Thron.

Dort regiert der gerissene König Merin, der einwilligt demjenigen den Thron zu überlassen, der innerhalb eines Jahres alle ihm vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen kann. Mit Waffengewalt und Sturheit kommt er hier jedoch nicht weit: Ronan braucht nicht nur einen Freund an seiner Seite, er muss auch die Achtung der Prinzessin Eila und der Bevölkerung von Lannoch gewinnen. Doch das stellt sich bald als schwieriger heraus, als gedacht und Ronan muss erkennen, dass der größte Kämpfer der ist, der sich selbst besiegen kann...


Bewertung:

"Was hast du getan?"
Der Schrei trieb durch seine bleierne Müdigkeit. Ein Schatten wuchs über ihm, Hände krallten sich in sein Haar und rissen seinen Kopf zurück.
Der Schatten war sein Vater..."

Von dem unglaublichen Zorn seines Vaters Azel, König von Raukland, wacht man genauso ahnungslos wie er, zusammen mit Ronan auf. Man findet sich in einer absolut misslichen Lage wieder, denn komplett verkatert und übernächtigt liegt er in seinem Bett, anstatt den geplanten Hinterhalt, der zum Sieg Rauklands führen sollte, anzuführen. Schnell versteht man, das es Azel keineswegs verdient, sich Ronans Vater zu nennen, denn zur Strafe lässt er ihn vor versammelter Mannschaft auspeitschen und brandmarkt ihn mit dem Pferdezeichen Rauklands. Äußerst qualvoll und brutal kommt man in der rauen Mittelalterwelt Rauklands an und verfolgt die Tortur mit angehaltenem Atem. Knapp am Tod vorbei geschrammt, nach langer Ohnmacht findet sich Ronan dann auf einem Schiff zu der Insel Lannoch wieder, auf die er zur Strafe ins Exil geschickt wurde.
"Entsetzen spiegelte sich auf seinem Gesicht. Das glutrote Eisen sank ins Ronans Rücken. Ein grässliches Zischen, der Geruch von verbranntem Fleisch. Seine erste Empfindung war nicht Hitze, sondern eisige Kälte. Aber dieses Gefühl hielt nur einen Atemzug lang an, dann brach der Schmerz über ihn herein und sein Körper zerbarst..."
Dank günstiger Handelslage will Azel Lannoch einnehmen, doch aufgrund der Beschaffenheit der Insel, ist es äußerst mühsam, sie auf militärischem Wege einzunehmen. Auf Lannoch gelten aber eigene Regeln und so steht es jedem frei, sich das Recht auf den Thron Lannochs zu verdienen. Dafür müssen innerhalb eines Jahres alle Aufgaben gelöst werden, die die vorangegangenen Könige in einem Buch gestellt haben. Der derzeitige König Merin und seine Enkelin Eila wollen keinesfalls, dass Lannoch an Raukland fällt. Trotzdem bleibt ihnen nichts anderes übrig, als auf Ronans Scheitern zu hoffen. So nimmt die Geschichte langsam ihren Lauf und man begleitet Ronan bei seinen Aufgaben, sieht wie er leidet, verzweifelt, neue Freundschaften knüpft und langsam zu sich findet.

"Ihr braucht einen Freund, um eure Aufgaben zu bewältigen."
"Es sind mehrere?" Merin nickte.
Darüber dachte Ronan einen Moment nach. "Dazu brauche ich einen Helfer?"
"Einen Freund", sagte Merin sanft.
Der Raukländer beugte sich vor, die Arme auf dem Tisch verschränkt. "Und wenn ich keinen brauche?"
"Oh ihr werdet einen brauchen. Jeder braucht einen Freund."

 Wieso genau also die Trilogie mit dem Genre Fantasy betitelt wurde, habe ich nicht verstanden, da noch nichts Übersinnliches vorkam. Das Setting ist eher historisch angehaucht und erinnerte mich durch die Lebensart und Epochenbeschreibung sehr an ein mittelalterliches Skandinavien. Ritterburgen, große Imperien mit König, die sich praktisch ständig im Krieg befinden, Handel mit entlegenen Ländern, Helden auf Pferden und edle Prinzessinnen. Die Insel Lannoch jedoch fällt durch die Ruhe und den Frieden etwas aus der Reihe und so ist auch Ronan, der durch Raukland eher ein rauer, auf Krawall gebürsteter Kerl ist, trainiert um später auch einmal kompromisslos ein Land zu führen, zuerst etwas verwirrt.
 Lannoch ist ein kleines, raues, nordisches Fleckchen Land mit  peitschendem Meereswind, donnernden Wellen, kreischenden Seevögel, steilen Klippen, harten Wintern, rauschenden Festen und vielen interessanten und netten Menschen.

"Raukland ist ein raues Land", hörte sich Ronan wieder einmal sagen. "Lannoch ist anders. Her ist eher das Land rau und nicht die Menschen."
"Ist es auf Lannoch schöner?", fragte Eila.
"Anders", entgegnete Ronan."

Sofort war ich eingenommen von der mittelalterlichen Lebensweise, der Kälte und Dunkelheit aber auch von den Abenteuern und der Romantik die ich mit dieser Zeit verbinde. Die  die Beschreibung der Burg, der Stand der Heilkunst und vor allem die vielen Fechtszenen schienen mir sehr authentisch und fachmännisch erzählt. Anstatt wie wild aufeinander einzuprügeln kämpfen die Protagonisten in Grundhuten und mit gezielten Hieben, die Namen tragen.

"Am Morgen lag dichter Nebel über der Insel. Nicht ein Lüftchen regte sich, als Ronan über den Dorfplatz schritt, das Knirschen unter seinen Sohlen seltsam laut in der weiß schwebenden Stille. Der Brunnen schien im Nichts zu schweben und selbst die trutzige Burg war nicht mehr als ein Schatten hinter Nebelschwaden.
Es war, als hätte jemand eine riesige Glasglocke über Lannoch gestülpt. Die geisterhafte Stille verschluckte selbst die Schreie der Möwen..."

Was das Buch aber wirklich interessant macht, sind die Charaktere und ihre Entwicklung. Vor allem Ronan hat es mir angetan und ich fand es bald sehr erfrischend, endlich mal wieder etwas von einem guten männlichen Hauptcharakter zu lesen.

Schon von klein auf, mutterlos und alleine, wurde er von seinem Lehrmeister Zhodan dazu erzogen, ein König und Krieger zu werden, was ihn einerseits zu einem hervorragenden Kämpfer macht, andererseits aber zu einem gefühlskalten Klotz wie sein Vater. Lesen und Schreiben kann er nur im Ansatz und in anderen Menschen erkennt er nichts als seinen Schaden oder Nutzen. Unsägliche Schmerzen kann er ohne ein Laut von sich zu geben aushalten, doch Liebe, Zuneigung, Mitgefühl oder andere Emotionen empfindet er als Schwäche. Er ist also eigentlich ein absolutes Scheusal und auf gar keinen Fall würdig, Lannochs neuer König zu werden, doch ich habe ihn trotzdem ins Herz geschlossen. Neben der raubeinigen Seite entdeckt er im Laufe der Geschichte noch viele andere, geheimnisvoll und mysteriös, hilfsbereit, schüchtern scheint er immer mehr und lässt öfter seine "weichen Seiten" durchblitzen. Durch viel Schmerzen, einige Rückschläge, viele verrückte und hirnrissige Aktionen, eine plötzlich kinderfreundliche Ader und schlussendlich durch viel freundlicher Unterstützung wird er der sympathische Held und König, der er schon immer sein wollte. Und genau das ist das Anziehende, was seinen Charakter für mich ausmacht: Diese Entwicklung. Durch seinen vielseitigen Charakter scheint seine Entwicklung immer weiter zu gehen und gar nicht mehr aufzuhören. Trotzdem bleibt er die ganze Zeit authentisch der selbe junge Ronan Carinn, den man am Anfang kennengelernt hat, nur in netter. Gegen Ende wirkt er treu, aufopferungsvoll und verletzlich, was drei Adjektive sind, die ich am Anfang niemals gedacht habe, dass ich sie im Zusammenhang mit ihm verwende.

"Liam beugte sich vor und drückte sacht Ronans Schultern. Als er sich aufrichtete streckte Ronan die Hand nach ihm aus.
"Danke", wisperte er."

Wer wohl vorrangig zu seiner Veränderung beigetragen hat, ist Liam, der schreckhafte und schwächelnde Händler, den Ronan aus dem stürmischen Wasser rettet. Die beiden schließen einen Deal: Ronan beschützt ihn vor seinen Verfolgern und Liam spielt Ronans Freund, welchen er für seine Aufgaben braucht. Die krasse Gegensätzlichkeit zwischen den beiden jungen Männern war sehr faszinierend. Liam ist gewaltablehnend, angstvoll, unsportlich, aber dafür mitfühlend, gebildet und eher zartbesaitet. Wie auch Ronan macht er eine Entwicklung durch, nur genau in die andere Richtung. Er lernt zu vertrauen, mehr Mut ins sich selbst zu fassen, sich zu überwinden, trainiert zusammen mit Ronan seine körperlichen Fähigkeiten und lernt die Kunst des Fechtens. Auch er hat eine tragische wie interessante Vergangenheit, die sich perfekt in sein Charakter einreiht. Auch über ihn könnte ich noch Romane schreiben, doch ich belasse es dabei.

"In den kurzen Zeitspannen, in denen sich die Nebel in seinem Kopf lichteten, war ihm am deutlichsten Liams Gegenwart bewusst. Es war Liam, der ihn mit sanfter Gewalt dazu brachte zu trinken. Liam, der seinen heißen Körper mit feuchten Tüchern bedeckte. Lam dessen Hände auf seinem Arm lagen, wenn Beth ihm einen gallebitteren Trank einflößte und er mit verzweifelter Anstrengung versuchte, sich um Himmels willen nicht zu übergeben. (...) Ronan klammerte sich an diese Stimme, an die sachten Berührungen, und betete darum, dass nicht auch diesem einzig ruhenden Pol Zähne und Klauen wuchsen, die ihn doch zerrissen."

Die vielen Nebencharakter auf Lannoch und aus Raukland sind allesamt sehr liebevoll gezeichnet und unterschiedlich. Eila, die Enkelin von Merin und Ronans Herzdame, so stürmisch und wild wie das Land selbst, die allen bekannten Prinzessinnenklischees gekonnt ausweicht, die immer quasselnde Fiona, der grausame und blutrünstige Azel, die heilbegabte Hebamme Beth, der grobschlächtige aber liebenswerte Schmied Fergus und eine ganze Schar abenteuerlustiger Jungs. Alle sind sie mir sehr ans Herz gewachsen und ein Wiedersehen würde mich sehr freuen. Vor allem von dem kleinen Waisenjungen Torin bin ich ein großer Fan. Mit seiner kindlichen Unschuld, dem Beschützerinstinkt den er immer wieder in verrückten Aktionen beweist, der süßen Faszination für das Fechten, welche Ronan bald zu seinem größten Vorbild heranwachsen lässt und den Behauptungen, er würde Eila heiraten, wenn er groß ist, hat er mich des Öfteren zum schmunzeln gebracht.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr klar und direkt, sie beschreibt die Landschaft Lannochs sehr treffend und auf den Punkt gebracht, setzt aber in Beschreibungen und auch Gedanken klare Abstriche um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Während also in anderen Büchern Charaktere zigmal genau dasselbe denken, sind Ausschweifende Erklärungen und auch die Einblicke in die Gefühlswelt der Charakter sehr bedacht gewählt.  Dadurch bekommt der Leser das Wichtigste gleich gebündelt vorgesetzt und kann ganz leicht in den Seiten versinken. Sehr gut hat mir auch gefallen, wie die Personen sich die ganze Zeit mit dem majestätischen Plural anreden. So etwas wie "Geht es Euch gut?", "Ihr werdet es schon merken.", oder "Kann ich Euch helfen?" war zwar zu Beginn etwas seltsam, da ich immer instinktiv von mehreren angesprochenen Personen ausging, diese mittelalterliche Höflichkeitsform hat mir dann aber schließlich sehr gefallen.
"Die nächsten Tage waren sonnig und heiß. Heu trocknete auf den Wiesen, unaufhörlich auseinandergeworfen von Männern mit bloßem Oberkörper, denen die feinen Spelzen auf der feuchte Haut klebten. Die Luft roch nach Thymian und warmem Gras. Feine Spinnweben schwirrten umher, glitzerten in der gleißenden Sonne, die nun jeden Tag deutlich später über dem Burgdorf erschien und früher über dem Hafen im Meer versank."
Das Cover ist genau wie der Schreibstil klar und deutlich, ohne malerische Schnörkel, mittelalterlich gehalten. Zusehen ist in Dämmerung eine Burg auf einem Hügel, darunter das Meer, im Vordergrund ein edelglänzendes Schwert. Es ist wirklich hübsch gestaltet, hat für mich aber nicht sein volles Potential ausgeschöpft. Ehrlich gesagt fand ich es etwas zu "Doku-mäßig" und musste an den Vorspann von Terra X denken. Thematisch passt es natürlich perfekt und auch vom Stil her reiht es sich in die Welle der historischen Eindrücke, die das Buch zurücklässt.

Was mich aber absolut verwundert und dann begeistert hat, waren die Outtakes des Buches. Ja, ihr habt richtig gelesen und ich weiß auch, was dieses Wort bedeutet: Outtakes!!!
So etwas habe ich angehängt an ein Buch noch niemals gesehen. Bei Filmen liebe ich diese Szenen, die manchmal angehängt im Abspann laufen und einige aufgrund von Pannen oder Patzern Aussortierte Szenen zeigen und auch in diesem Buch fand ich es genial. Jordis Lank hat solche schriftlichen Outtakes am Ende ihrem Buch aufgeführt, welche Sätze oder Abschnitte anführen, in denen etwas schief gegangen ist  -Achtung Zitat-
"[...] verpatzt von einem Autorinnenhirn, das manchmal schneller denkt, als die Finger tippen ...."
Absolut witzig und einzigartig!

Das Ende bringt noch einige Überraschungen, die ich so in diesem Ausmaß nicht mehr erwartet hatte. Doch dieses Buch hat durchaus das Potenzial ein ums andere Mal zu erstaunen. Und so steigert sich die Spannung noch einmal in einem finalen Kampf und endet in einem guten aber leicht offenen Ende, das einen den nächsten Teil sehnsüchtig erwarten lässt.

Beenden möchte ich diese Rezension wie ich sie begonnen habe - mit einem wunderschönen Zitat...

„Der beste Weg, einen Freund zu finden, ist der, selbst einer zu sein.“



Fazit:

Neben dem gutaufgebauten Plot, der Spannung, den Landschaftsbildern und der Abenteuerstimmung, die sich beim Lesen regt, lebt das Buch vor allem von seinen Charakteren, deren Entwicklung und der langsamen Entstehung einer einzigartigen Freundschaft zwischen zwei komplett gegensätzlichen Männern. Insgesamt also ein sehr ansprechender Auftakt einer vielversprechenden Reihe, der Lust auf mehr macht.


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*unbezahlte WERBUNG* 
Vielen Dank an die Autorin für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat. 
(Quelle- Information und Coverbild: Amazon.de. Die Bilder und Cover, sowie die Inhaltsbeschreibungen und Klappentexte sind Eigentum des jeweiligen Verlages bzw. Schriftstellers oder anderweitigen Rechteinhabers.)
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