Sonntag, 13. November 2016

Perfect Escape


Allgemeines:

Titel: Perfect Escape
Autor: Jennifer Brown
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. August 2014)
Genre: Roadnovel
ISBN: 978-3423782791
Seitenzahl: 384 Seiten
Preis: 17,99€ (gebundene Ausgabe)
7,99 € (Kindle-Edition)
9,95€ (Taschenbuch)



Inhalt:

"Manchmal muss man gar nicht laut aussprechen, dass man jemanden lieb hat.
Manchmal genügt es, im Schatten dieses Menschen zu stehen und nichts dabei zu finden."

Kendra liebt ihren Bruder Grayson, doch unter seinen Panikattacken und Zwangsneurosen leidet sie seit Jahren. Um Ausgleich bemüht, versucht sie besonders perfekt zu sein. Auf ihr, der Musterschülerin, ruhen alle Hoffnungen der Eltern. Bis bei Kendra eines Tages die Sicherungen durchbrennen: Sie packt Grayson in ihr altes Auto und haut ab. Nach Kalifornien zu Zoe, ihrer ehemals besten Freundin und Graysons erster Liebe, fest davon überzeugt, dass sie zusammen alle Probleme lösen können…



Bewertung:

"Glimmer hat glatte Bruchkanten. Wenn man so einen Stein zerbricht und die beiden Teile aneinanderhält, dann passen sie perfekt zusammen."
"So ähnlich wie wir", flüsterte ich, ohne richtig zu merken, dass ich den Gedanken laut aussprach. Meine Schulter berührte die von meinem Bruder.
"Zerbrochen und ziemlich kaputt, aber nicht zerstört."


Seit einiger Zeit lese ich mit Vergnügen Bücher über Roadtrips und hier verbreitet schon das Cover eine wunderbare Aufbruchsstimmung. Diese passt für mich perfekt zum Buch, zu einem ungeplanten, plötzlichem Trip durch Nordamerikas Staaten. Die Atmosphäre, die das Cover, aber auch der Inhalt vermittelt, hat mir jedenfalls sehr gut gefallen, wirkt authentisch und hat mir das Buch sehr nahe gehen lassen.
 
Das Buch hat eine sehr emotionale Handlung und beinhaltet eine Geschichte von der ich zuvor mit dieser Idee noch nie etwas gelesen habe. Gut durchdacht! Doch man merkt schnell die Autorin hat einen sehr facettenreichen Schreibstil, oft musste ich laut lachen oder einfach nur grinsen, manchmal stand ich aber auch kurz vor den Tränen. „Perfect Escape“ behandelt Zwangsstörungen und Panikattacken und überzeugt mit viel Hintergrund Wissen.

So erfährt der Leser beim Lesen des Buches wichtige Fakten über die Krankheiten und bekommt einen Einblick in das Leben einer Familie, bei der es einen solchen Krankheitsfall gibt.
Und die Krankheit ist erschreckend! Zwangsneurose (d.h. die betreffende Person “ muss“ unsinnvolle Dinge immer wieder machen, Bsp.: Ständiges Händewaschen vor Angst von Bakterien) beeinflusst nicht nur den betreffenden Menschen unglaublich, sondern auch dessen Familie.
Das merkt auch Kendra, die die Zeit genießt, in der ihr Bruder in der Psychiatrie ist. In diesen Zeiten fühlt sie sich fast normal und ihr Leben wird nicht mehr von ihrem Bruder beeinflusst auch wenn sie deshalb die schlimmsten Schuldgefühle hat.

Kendra wirkt anfangs verantwortungsvoll, vernünftig und ausgesprochen reif für ihr Alter, bald bemerkt man jedoch, dass das meiste davon nur Fassade ist und lernt ihre wirklichen Gefühle kennen. Besonders der Aspekt, was genau ihre Zukunft zu bedrohen scheint, bringt auch Spannung in das Buch und durch Andeutungen zu Beginn wird man neugierig, was genau Kendra angestellt hat. Als man dies erfährt, scheint einem das eigentlich nicht so schlimm, aber gleichzeitig merkt man Kendras Angst und Verzweiflung, sodass ich gar nicht anders konnte, als Kendra sympathisch zu finden, da man ihr Verhalten dadurch noch besser verstehen kann. Im Laufe des Buches macht sie auch einiges an Entwicklung durch und vor allem die Beziehung zu ihrem Bruder, die zwar trotzdem einige Höhen und Tiefen hat, scheint enger zu werden.

Grayson hingegen lernt man etwa ab der Mitte des Buches zu verstehen und trotz all seiner Neurosen wirkt er stellenweise fast „normaler“ als Kendra. Zwar liest man das Buch nur aus Kendras Perspektive, jedoch werden auch dabei sehr gut Graysons Gefühle und Beweggründe dargestellt.
Ich mochte sie als Person wirklich sehr, da sie erfrischend echt war und auch oft ehrlich genervt war von ihrem behinderten Bruder. Nichts wird schöngeredet sondern einfach so dargestellt, wie es ist.
Obwohl der Roadtrip mit Ortsbeschreibungen, Abenteuern und interessanten, oft verrückten neuen Bekannten eine große Rolle spielt, wird im Buch auch intensiv auf die Beziehung zwischen Geschwistern eingegangen. Teilweise macht das das Buch in der Mitte etwas zäh und nicht all zu spannend. Ich hatte auf Action und Abenteuer gehofft und hatte einen feinfühligen Roman über psychisch Kranke und eine unglaubliche Bruder-Schwester-Konstellation mit aller Verantwortung und Liebe die dazugehört bekommen. Für mich wurde die wechselhafte, aber zugleich auch unheimlich vertrauensvolle Beziehung zwischen Geschwistern sehr gut dargestellt. Man merkt deutlich, dass sich Kendra und Grayson trotz allem nahestehen und aufeinander bauen können. Diese Message hat mir sehr gefallen und verleiht dem Buch eine wunderschöne Note. Denn nicht immer läuft alles super und vor allem gegen Ende wird es sehr turbulent, aber Grayson und Kendra meistern es gemeinsam.

Allerdings hätte ich mir zum Schluss ein ausführlicheres Ende gewünscht, beispielsweise mehr über Zoes Beweggründe oder wie die Eltern auf den Roadtrip ihrer Kinder reagieren. Das ist aber nur ein kleiner Kritikpunkt und die Hauptbotschaft dieses Buches stört es auch in keinster Weise;)


Fazit:

Interessante Roadnovel à la "Rain Man".

Eine ruhige Geschichte, die in leisen Tönen von einer Reise erzählt, bei der nicht das Ziel entscheidend ist, sondern der Weg selbst sich als wertvoll und lehrreich erweist. Wer sich die Schilderung eines spektakulären und spannenden Roadtrips erhofft, ist hier wohl an der falschen Adresse.
Alle anderen können sich auf eine zarte Geschichte mit einigen wenigen Längen freuen, die von Identität, Ängsten und Zweifeln erzählt, vor allem aber eine Hommage an die kostbaren Banden zwischen Geschwistern zu sein scheint.

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