Dienstag, 23. August 2016

Was die Spiegel wissen (alte Rezension)


Allgemeines:

Titel: Was die Spiegel wissen
Autor: Maggie Stiefvater
Verlag: Loewe (21. September 2015)
Genre: Fantasy
ISBN: 978-3785583302
Seitenzahl: 448 Seiten
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
18,95 € (Taschenbuch)
Originaltitel: Blue Lily, Lily Blue
Weitere Bände: Wen der Rabe ruft
Wer die Lilie träumt
Wo das Dunkel schläft



Inhalt:

Es wird Hebst in Henrietta. Blue und die vier Raven Boys suchen noch immer nach dem Grab des walisischen Königs Glendower. Fast glauben sie sich am Ziel, als Adam eine beunruhigende Vision hat: Im magischen Wald Cabeswater gibt es drei Schlafende. Einer von ihnen darf unter gar keinen Umständen geweckt werden. Die Frage ist allerdings, welcher es ist und was geschieht, wenn er trotz aller Vorsicht aufwachen sollte. Währenddessen hat Blue ganz andere Sorgen: Ihre Mutter ist verschwunden und außer einer mysteriösen Nachricht gibt es keine Spur von ihr. Und dann sind da noch Blues Gefühle für Gansey, gegen die sie vergeblich anzukämpfen versucht. Denn ein Kuss von ihr könnte seinen Tod bedeuten.




Bewertung:

Erster Satz:
"Persephone stand auf dem kahlen Berggipfel, das elfenbeinfarbene Rüschenkleid wehte ihr um die Beine und ihr weißblonder Lockenwust flatterte." 

Schon seit längerem ist der dritte Band von Maggie Stiefvaters Raven-Boy-Quadrologie erschienen und endlich habe ich Zeit gefunden, es zu lesen. Als ich das Buch dann endlich zur Hand genommen habe, wurde ich sofort von den Aglionby-Jungs, Blue und der geheimnisvollen Ley-Linie eingenommen und konnte es gar nicht mehr aus der Hand legen.

Das Cover und der Titel sind wie auch schon bei den Bänden zuvor gekonnt geheimnisvoll und schnörkelig gehalten, was dem Buch gleich diesen ganz besonderen Flair geben. Passend zu Titel und Thema sind angedeutet im Hintergrund Spiegel zu sehen. Auch der rötliche Braunton in dem alles gehalten ist, passt perfekt und macht das Buch wieder zu einem wahren Blickfang. Der amerikanische Titel "Blue Lily, Lily Blue" kommt wortwörtlich im Buch vor und passt meiner Meinung nach fast besser, da es zum einen Blues Namen ist und zum anderen "blaue Lilie" bedeutet, was auch eine Rolle spielt. 

Zu Beginn habe ich eine Weile gebraucht um wieder komplett in Henrietta anzukommen, da es schon eine kleine Weile her war, dass ich den zweiten Band gelesen habe und mir die vielen Verstrickungen, Gaben, Namen und Problemen nicht mehr geläufig waren. Doch das hat sich relativ schnell ausbügeln lassen und so nahm die Geschichte ihren Lauf. Eigentlich passiert allein auf der Handlungsebene die meiste Zeit über nicht nennenswert großes doch irgendwie schafft es die Autorin, mich trotzdem zu fesseln und mich zu zwingen, jede noch so kleine Sache gespannt weiterzuverfolgen.

"Wenn die Zeit nicht linear verläuft, sondern ein ewiger Kreis ist, kann man eine ganze Menge wissen."

Wie auch schon in den Bänden zuvor und in der "Nach dem Sommer-Trilogie" hat mich Maggie Stiefvaters Schreibstil komplett überzeugt. Er ist ruhig und unaufgeregt, wobei er immer durch ihre poetische Ausdruckweise gut durchdacht und clever wirkt. Auch wenn die Grundstimmung eigentlich sehr düster ist, lockert die Autorin an den richtigen Stellen die Atmosphäre gekonnt durch ihren trockenen Humor auf, was mich das ein oder andere Mal zu Grinsen gebracht hat.

"Die Zwei ist eine fürchterliche Zahl. Die Zwei steht für Rivalität und Streit und Mord."
"Oder die Ehe", bemerkte Adam nachdenklich.
"Das kommt aufs selbe raus", entgegnete Persephone."

Teilweise ist die Geschichte sehr skurril und abgedreht, aber genau das macht sie eben aus. Sie springt bei jedem Kapitel zu der Sicht eines anderen Hauptcharakters, der seine Gedanken, Gefühle, Taten und Erlebnisse als personaler Er-Erzähler wiedergeben, wie auch schon in den Bänden zuvor. Was ihr aber meisterhaft gelingt und mich sehr überrascht hat, ist das man allein dem Schreibstil und der leichten unterschwelligen Atmosphäre der Abschnitte anmerkt, wer erzählt. Der leise Humor bei Blue, die massiven Selbstzweifel und Unsicherheit bei Adam, Gansey, der einfach nur Gansey ist, der draufgängerische Ronan und als neuer Charakter Colin Greenmantle. Mit atmosphärischen und beschreibenden Worten lässt sie Cabeswater und die drückende Dunkelheit der Höhlen für kurze Zeit wahr werden und so leidet und freut man sich mit den Personen mit.

"Er konnte sich nicht entscheiden, ob er müde war oder des Wartens müde."

Was mich fast in den Wahnsinn getrieben hat, sind die unglaublich mystisch-spannenden Kapitelenden, mit denen die Autorin uns Leser quält. Die Tage werden kürzer in Henrietta und genauso wie das kleine Dörfchen auf den Winter zusteuert, merkt man diesem Band schon die Nähe zum Ende an. Blue und ihre vier Aglionby-Jungs suchen noch immer nach dem verschollenen walisischen König Glendower und kommen ihrem Ziel immer näher. Jeder Fund und jeder Erfolg wird jedoch immer von etwas anderem getrübt, denn Maura, Blues Mutter, ist immer noch verschwunden nachdem sie nichts als eine kurze Nachricht zurückgelassen hat. Das trübt natürlich Blues Freude, die sich trotz der Unterstützung zunehmend alleingelassen fühlt.

"Blue hatte mit einem Mal das Gefühl, dass dies alles war, was sie je gekannt hatte: flatternde Raben rings um sie, Federn, die ihre Wange streiften, Klauen, die über ihren Helm kratzten. Und dann, von einem Augenblick auf den anderen, fingen die Raben an zu krächzen, hin und her, hin und her, Bald formierte sich das Geschrei zu einem Singsang und schließlich zu Worten:
"Rex Corvus, parate Regis Corvi -
Der Rabenkönig, macht Platz für den Rabenkönig!"

Die Gruppe aus Freunden wächst immer näher zusammen und gleichzeitig dem Leser ans Herz. Nachdem im zweiten Band "Wer die Lilie träumt" eher Adam und Ronan im Vorderrund standen, rücken jetzt wieder Gansey und Blue ins Rampenlicht. Für die beiden wird es immer schwieriger, ihre Gefühle im Schach zu halten, doch das müssen sie, denn Blue wurde prophezeit, dass sie ihre wahre Liebe mit einem Kuss töten würde. Blues Charakter wird wie der der anderen auch immer deutlicher gezeichnet. Sie tritt als schillernder, selbstbewusster, neugieriger, vertrauensseliger und damit sehr exzentrischer Charakter auf und passt damit wunderbar in den Fox Way. Dieses Haus voller durchgeknallter Leute, skurrilen Gegenständen, Stimmen, Musik, Telefonen, alten mystischen Dingen, Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart verstrahlt durch das Papier hindurch eine unglaublich lebendige und einnehmende Atmosphäre, das man das Gefühl hat gleich durch den Buchdeckel gesogen zu werden. 

"Blue war sich vollkommen darüber im Klaren, dass eine Freundschaft nicht zwangsläufig allumfassend sein, nicht blind, taub und verrückt machen und einem den Atem rauben musste. Aber nachdem sie diese Art von Freundschaft einmal kennengelernt hatte, wollte sie einfach keine andere mehr."

Gansey hingegen wirkt in dieser Welt immer noch etwas fehl am Platz. Mit seiner liebenswürdig geschliffenen, höflichen Art und dem großen Herz ist er jedoch nicht weniger sympathisch als sie. Er versteckt sich jedoch hinter seiner Fassade und ist viel zu still und korrekt um der Welt zu zeigen, was wirklich in ihm steckt. Wie er immer etwas denkt oder sagen will und dann doch den Mund hält, hat mich ganz verrückt gemacht. Bei den Szenen mit Blue ging mir ein ums andere Mal das Herz auf und gleichzeitig kam es mir sehr ungerecht vor, dass so ein süßes Pärchen keine Möglichkeit hat, zusammen sein zu können. Adam leidet immer noch unter den Misshandlungen seines Vaters und hat einiges Probleme mit seinem Selbstbewusstsein. Er entwickelt sich immer mehr zu einem schweigsamen Magier und erschien mir und den anderen Charakteren des Öfteren fast fremd. Auch er muss zugeben, sich kaum zu kennen.

"Einsam" bezeichnete den Zustand des von anderen Getrennt-Seins. Des Anderesseins. Allein-sam. Adam war nicht immer alleine, aber er war immer einsam. Selbst umringt von anderen Menschen, entwickelte er allmählich ein regelrechtes Talent dafür, sich abzusondern."

Ronan ist nach wie vor ganz klar einer meiner Lieblingscharaktere. Ich finde er hat eine total geniale und ironische Art an sich und tut immer so unabhängig und hart, hat aber einen ganz weichen Kern, der ab und an sogar mal zum Vorschein kommt. Mit seinem Lied "Murks den ersten ab, murks den zweiten ab,..." hat er mich einige Male zum Lachen gebracht. Die einzige Emotion die er zu zeigen können scheint ist die Wut, wobei er beginnt sich gegenüber Adam zu öffnen. 

Noah, der tote Junge blieb in diesem Band leicht zurück. Er kämpft mit dem Verschwinden und bleibt immer öfter für eine längere Zeit weg. Diese leicht trottelige, unbeholfene aber hilfsbereite Art ist total liebenswert doch eben genau dieser Noah verblasst allmählich und wich in diesem Buch das ein oder andere Mal einem eher unheimlichen zerstörungswütigen Geist, bei denen es mir echt eiskalt den Rücken runter gelaufen ist.

"Er wirkte verschwommen und körperlos, als er in den Spalt schlüpfte. Dann herrschte nur noch Stille, Stille.
Blue blinzelte. "Noah?"

Meine absoluten Lieblingsnebencharakter sind neben den üblichen im Foxway (die verschwundene Maura, die laute und aufbrausende Calla und die geheimnisvolle Persephone) eindeutig Jesse Dittley und Mr. Gray. Ersterer lebt alleine auf der abgeschiedenen Dittley-Farm die zufällig direkt an der höhle liegt, die alle Hinweise als Grabstätte Glendowers markieren. Er ist riesengroß, hat eine lockere Art, ein sanftes Gesicht und redet unfassbar laut und polternd, weshalb auch seine Sätze immer in Großbuchstaben abgedruckt sind. Es ist einfach zum totlachen.

"HAST DU ETWA NIE DEIN GEMÜSE GEGESSEN, KLEINE AMEISE?"

Der leicht durchgedrehte ehemalige Auftragskiller Mr. Gray, der -wie sein Name schon verrät- bloß immer Grau trägt, ist mir auch immer mehr ans Herz gewachsen, nachdem ich zuerst nicht so überzeugt von ihm als neuer Lover von Blues Mutter war. Als Hilfe reist Professor Malory mit seinem Hund an, mit dem Gansey schon zusammen Ley-Linien erforscht hat. Vor allem Ronan kann den seltsamen alten Mann nicht leiden.

"Oh Mann", murmelte Ronan, mehr zu sich selbst. "Der ist ja steinalt."

Als neue Bösewichte trat Colin Greenmantle und seine Frau Piper auf den Plan. Die beiden konnte ich von Anfang an nicht leiden, was ja aber auch so beabsichtigt war. Greenmantle ist ein absolut gefühlskalter und skrupelloser Mann, der den Greywaren um jeden Preis finden will, sich dabei aber als kompletter Feigling herausstellt. Seine Frau wechselte andauernd von der dummen Blondine zu einer durchgeknallten Killer-Tante, sodass ich auch von ihr nicht genau wusste, was ich halten soll.

"Wo war Maura in all dem Chaos?
Da erhob sich eine unbekannte Stimme in ihrem Kopf zu einem schrillen, bizarren Singsang:
"Königinnen und Könige
Könige und Königinnen
Blaue Lilie, Lilie blau
Kronen und Vögel
Schwerter und Dinge
Blaue Lilie, Lilie blau"
(...)Drei Schlafende -Licht, Dunkel und etwas dazwischen."

Eine komplett Verrückte hat auch noch ihre Rolle und schließt somit den Kreis an skurrilen und doch genialen Charakteren. Nachdem die Geschichte erst so richtig Fahrt aufgenommen hat, wird es nicht nur viel spannender, sondern die Ereignisse überschlagen sich fast. Es passieren immer wieder unerwartete und drastische Wendungen, die nicht immer positiv sind. Es schaukelt sich auf den Höhepunkt hin immer weiter hoch und endet dann höchst spannend. Der angehängte Epilog endet mit einem so unglaublich fiesen Cliffhanger, das ich es kaum erwarten kann den finalen Band zu lesen.


  
Fazit:

"Was die Spiegel wissen" ist genau wie seine Vorgänger ein unglaublich gutes Buch mit einem atmosphärischen Schreibstil, tollen Charakteren, viel Mystik und Spannung und nicht zuletzt viel viel Fantasy. Wer besondere und fast eigenartige Bücher liebt, muss diese Reihe unbedingt lesen.

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